Mainz als Festung der Kurfürsten (1620-1792)

Mainz auf einer Stadtansicht von Merian um 1632 [StA Mz BPS]

Galt die mittelalterliche Stadtmauer der freien Stadt Mainz im 15. Jahrhundert noch als modern und nützlich, so war sie im 16. Jh. nach Einführung der Feuerwaffen völlig veraltet. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Mainzer Domkapitel darum sehr besorgt, ob nicht umherstreifende Truppen Mainz und den umliegenden Dörfern schaden konnten. Kurfürst Johann Schweickhard von Kronberg (1604-26) teilte diese Besorgnis jedoch nicht  und hatte sich länger gegen eine Neubefestigung gewehrt.

Erst kurz vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) konnte das Domkapitel den Kurfürsten von der Notwendigkeit neuer Befestigungsanlagen überzeugen - nicht zuletzt dank des erfahrenen Domkapitulars Adolph von Waldenburg, genannt Schenkher. Auslöser für das Umstimmen des Kurfürsten und den Beginn der Neubefestigung war der Durchzug der Genthischen Kriegsvölker im Jahr 1617. Da es keine Erfahrungen mit dem modernen Festungsbau gab, verzögerten sich die ersten Bauarbeiten um zwei Jahre. Zentrale Frage war vor allem, an welchen Stellen Mainz neu befestigt werden sollte - eine komplette neue Stadtbefestigung war aus Kostengründen nicht vorgesehen; zu den dazu erforderlichen hohen Ausgaben konnten sich das Domkapitel und Kurfürst Johann Schweickhard von Kronberg nicht durchringen.

Errichtung der Schweickhardsburg

Die Schweickhardsburg auf einem Plan von 1625. die beiden Hornwerke wurden nicht ausgeführt [StA Mz BPS]

Als Planer der neuen Befestigungswerke wurde aufgrund seiner Erfahrungen im Fortifikationswesen der oben schon erwähnte Domkapitular Adolph von Waldenburg ausgesucht. Seine Pläne sahen lediglich die Befestigung des Jakobsberges vor, da er glaubte, die Befestigung dieses direkt vor der Stadt gelegenen Hügels reiche völlig aus, um jeden Angriff abzuwehren. Die Befestigung des Jakobsberges war dabei ziemlich schwierig, da zum einen der bereits vorhandene Graben aus Spargründen mit einbezogen werden musste, zum anderen die Geländesituation nicht einfach war. Darüber hinaus musste das dort ansässige Benediktinerkloster mit in die Anlage einbezogen werden, da man sich vor einem Abriss scheute. Diese drei Punkte führten dazu, dass die neue Befestigungsanlage ein unregelmäßiges Fünfeck wurde, in dessen Inneren sich die Klosteranlage weiterexistierte. Die Grundkonzeption ist an die niederländische Befestigungsmanier angelehnt; die Festungsanlage wurde jedoch in Erde ausgeführt und die Wälle lediglich mit einer dünnen Stützmauer versehen. Das neue Festungswerk wurde nach dem Kurfürsten als "Schweickhardsburg" benannt. Am 20. Juni 1620 wurde mit den Arbeiten auf dem Jakobsberg begonnen.

Die Festung Mainz auf dem sog. "Schwedenplan" von 1625/26. Einige Werke wurden allerdings nicht ausgeführt.

Neben dem Jakobsberg wandte sich Adolph von Waldenburg bald auch der übrigen Stadtbefestigung zu - allerdings erst auf Druck des Kurfürsten. Als erste Maßnahme wurden der Graben und das unmittelbare Vorfeld von Hecken und Bäumen gesäubert. Auch wurden in den Jahren 1623/24 neue Geschützstellungen (keine Bastionen!) aufgeworfen - insbesondere am Rhein, was etwas merkwürdig erscheint, da diese Seite im 17. Jh. am noch wenigsten gefährdet war. An der Gartenfeldfront wurde eine kleine Schanze aufgeworfen, es folgten weitere kleinere Arbeiten an verschiedenen Stellen. Insgesamt widmete sich aber Adolph von Waldenburg vor allem der Schweickhardsburg und kaum der restlichen Stadtbefestigung. Eine bereits begonnene Bastion bei St. Paul an der nordöstlichen Ecke der Stadt wurde erst 1629 vollendet - anscheinend auf Druck des neuen Kurfürsten Georg Friedrich von Greiffenklau (1626-29). Der Domkapitular von Waldenburg wurde im übrigen nicht nur Festungsbaumeister, sondern auch Kommandant der Garnison. Als solcher hatte er seinen Sitz in der Scheikhardsburg.

Jede weitere fortifikatorische Maßnahme hätte jetzt zur Umwallung der gesamten Stadt mit einer Front von Bastionen führen müssen. Erste Pläne gab es zwar bereits, aber sie wurden nicht verwirklicht. Mit der Errichtung der Schweickhardsburg und den Verbesserungen an der restlichen Stadtummauerung war Mainz gegen territoriale Gegner sehr gut  gewappnet. Gegen die Massenheere des Dreißigjährigen Krieges konnten diese ersten Festungswerke allerdings keine Sicherheit bieten.

Schwedische Besatzung 1631-36

Die schwedischen Festungsanlagen um Mainz auf einem Stich von Merian um 1637

Daher konnte am 23. Dezember 1631 auch der schwedische König Gustav II. Adolf nahezu ungehindert mit seinen Truppen in Mainz einziehen - die geistlichen und weltlichen Herren waren wohlweislich schon vorher "abgereist". Zwar wurden Instruktionen zur Verteidigung von Mainz hinterlassen, aber der Kurfürst wies seinen Kommandanten an, Mainz nicht um jeden Preis zu verteidigen. So fiel Mainz den schwedischen Truppen schon nach nur wenigen Scharmützeln in die Hände.

König Gustav II. Adolf ließ dann erstmals strategisch wichtige Erhebungen und Orte um Mainz befestigen: unter anderem der Albansberg, der Hartenberg, der Taubertsberg (Hauptstein) und das rechte Rheinufer bei Kastel. Links des Mains nahe der Mündung in den Rhein wurde sogar ein Sperrfort angelegt, das der schwedische Kanzler und Baumeister Oxenstierna nach der Fertigstellung in Erinnerung an den inzwischen gefallenen schwedischen König "Gustavsburg" nannte. Nach dem Tod änderte sich die schwedische Politik in Deutschland und so verließen 1636 die nordischen Besatzer Mainz wieder und ihre Bollwerke verfielen.

Umwallung mit Bastionen

Kurfürst Johann Philipp von Schönborn

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 rückte die Befestigung von Mainz wieder in den Mittelpunkt der Politik des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn (1647-73). Dieser sah nämlich eine Festung um Mainz als praktisches Mittel der Territorial- und Reichspolitik. Darüber hinaus gewährte eine Festung ausreichend Schutz, während man deutlich weniger Soldaten für eine Garnison zu unterhalten hatte. Nachdem die Franzosen, die seit 1644 Mainz besetzt hielten, 1650 abgezogen wurden, konnte man sich an die Planungen machen. Klar war von vorneherein, dass es eine gänzlich neue Befestigung geben musste, denn die schweickhard'schen und schwedischen Schanzen waren weitgehend verfallen und mittlerweile auch militärisch überholt.

An den Planungen zum Festungsneubau war auch das Domkapitel wieder in erheblichem Maße interessiert. Es wollte insbesondere dafür sorgen, dass die Arbeiten sich nicht wieder jahrelang hinzogen, weil die dafür nötigen Geldsummen nicht rechtzeitig beigeschafft wurden. Dem konnte aber Johann Philipp von Schönborn vorbeugen: da der Kurstaat Mainz über nicht genügend Geld verfügte, wurden einfach einige, entlegene kurmainzische Dörfer an Würzburg verkauft. Der Vorteil dabei war, dass der Landesherr von Würzburg kein anderer als Johann Philipp von Schönborn war.

Das Haupttor der Zitadelle von 1660. Im Giebel ist das Wappen Johann Philipps von Schönborn zu sehen.

Mainz konnte also wieder befestigt werden. Im Zentrum des bastionären Tracées, das wohl von Johann Baptist von der Driesch entworfen worden war, stand wieder einmal der Jakobsberg. Allerdings wurde nun auch ganz Mainz mit einer Front aus Bastionen umgeben. Die Bauarbeiten wurden 1655 begonnen und gliederten sich in zwei Phasen: die erste dauerte von 1655 bis 1662, die zweite von 1668-73.

In der ersten Bauphase wurde die ehemalige Schweickhardsburg zur "Zitadelle" umgebaut. Die Zitadelle bestand nun aus einem Viereck, an dessen Ecken sich jeweils eine Bastion befand. Sie sollte als Festungskommandantur dienen und von dort sollte ggf. bei einer Belagerung auch ein Ausfall erfolgen; das Jakobskloster bestand in der Zitadelle weiter. Neu war, dass sowohl die Zitadelle, als auch die anderen 14 Bastionen in Stein ausgeführt wurden. So konnte man auch Geländeunterschiede besser überwinden und die Steinwerke boten natürlich auch eine erhöhte Widerstandskraft gegen die feindliche Artillerie. In der ersten Bauphase wurden außerdem die drei Bastionen der Südfront zwischen Zitadelle und Rhein fertig gestellt: Nikolaus, Catharina und Albani. Dazwischen ersetzte ab 1672 das Neutor die alte Bockspforte. Der Errichtung dieser Südfront musste der bisherige Vorort Vilzbach weichen; dessen Bebauung war aber schon im Dreißigjährigen Krieg stark dezimiert worden, da er außerhalb der Mauern lag.

Die Festung Mainz um 1676 [StA Mz BPS]

Auch andere Grundstückseigner und Hauseigentümer mussten im Zuge des Festungsbaus Verluste hinnehmen. Kurfürst Johann Philipp von Schönborn achtete aber sorgfältig darauf, dass Entschädigungen geleistet wurden: entweder in Form von Geld und Naturalien oder durch Grundstücke. Der Festungsbau war auch einer der Gründe, weshalb Johann Philipp die Bleichenwiesen trockenlegen ließ und als Bauland vergab. Diese Stadterweiterung sollte die einzige bis ins 19. Jahrhundert hinein bleiben.

In der zweiten Bauphase von 1668-73 wurde die westliche Front mit insgesamt sechs Bastionen errichtet; namentlich waren das die Bastionen Johannes, Philipp, Martin, Bonifatius, Alexander und Paulus. Zwischen den Bastionen Philipp und Martin wurde 1670 das neue Gautor errichtet. Nach dem Tod Johann Philipps von Schönborn kamen die Arbeiten an der Festung zum erliegen. Erst mit der Wahl Damian Hartards von der Leyen wurde der letzte Abschnitt vollendet. Denn der Kurstaat sah sich gezwungen eine kaiserliche Besatzung aufzunehmen und die kaiserlichen Offiziere setzten einen Abschluss der Arbeiten durch. Für die nördliche Gartenfeldfront wurde deshalb eigens der kaiserliche Ingenieur Johann Joseph Spalla nach Mainz beordert. Er stellte die letzten fünf Bastionen bis zum Rhein fertig: Leopold, Felicitas, Damian, Hartard und Raimund. Außerdem ließ er die landseitigen Tore durch Zwischenwerke - sog. Ravelins - verstärken. Grundlegende Änderungen am bastionären Tracée nahm Spalla aber nicht vor.

Die Belagerung von 1688/89

Ein Offizier (links) und ein Artillerist (rechts) um 1695 bzw. 1670. [Aus: Börckel: Geschichte von Mainz als Festung]

Der pfälzische Erbfolgekrieg führte dazu, dass der französische König Ludwig XIV. (1643-1715) wieder einmal seine Truppen an den Rhein schickte. Der Mainzer Kurfürst Anselm Franz von Ingelheim (1679-95) hatte eine rigide Sparpolitik betrieben, um die desolaten Finanzen des Kurstaates wieder in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grunde waren aber die Festungswerke nicht mehr gepflegt worden und es waren nur 700 Soldaten in Mainz stationiert. Als am 16. Oktober 1688 das französische Heer bei Finthen stand, musste deshalb bereits tags darauf die Festung Mainz kampflos übergeben werden. Dadurch entging die Stadt allerdings auch den Zerstörungen, den die Franzosen Oppenheim, Heidelberg und anderen Städten Südwestdeutschlands anrichteten. Die Franzosen benötigten nämlich eine intakte Festung und sorgten dafür, dass die Bastionen wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt wurden. Außerdem vollendeten sie die Ravelins Spallas vor den Toren, errichteten auf der Maaraue das Fort Mars und bauten einige kleinere Festungswerke. Das nun folgende Bombardement während der Belagerung durch die Reichstruppen richtete viele Schäden in der Stadt an; und als die Reichsarmee wenig später in Mainz einzog, waren die Einwohner wenig erfreut. Benahmen sich doch die Deutschen schlimmer als die Franzosen. Für die nächsten Jahre blieben die kaiserlichen Truppen in der Stadt und entzogen Mainz immer mehr dem Einfluss des Kurfürsten.

18. Jahrhundert: Außenforts werden angelegt

Die Festung Mainz auf einem Plan von 1735 [Nachzeichnung von Kahlenberg]

Die Festung Mainz war um 1700 - fünf Jahre nach der Wahl Lothar Franz von Schönborn zum Mainzer Kurfürsten - längst wieder veraltet. Zuerst wurden nur kleinere Verbesserungen vorgenommen: so z.B. die Verlegung des Neutores aus der Kurtine in die linke Flanke der Bastion Catharina. Das diente dazu, um den wichtigen südlichen Stadtausgang dem feindlichen Feuer zu entziehen. Nach Ende des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-13) geriet die Festung Mainz in den Blick der Reichsstände, was dem Mainzer Kurstaat Geld für umfangreichere Bauvorhaben einbrachte. So konnten  nun endlich die Lücken beseitigt werden, die sich schon bei der Belagerung von 1688/89 bemerkbar gemacht hatten.

Unter der Regie des berühmten Festungsbaumeisters und Architekten Johann Maximilian von Welsch wurden die strategisch wichtigen Erhebungen um Mainz befestigt. Es entstanden vorgeschobene - "detachirte" - Forts, die zwar Verbindung zur inneren Umwallung hatten, untereinander aber nur äußerst spärlich verbunden waren. Die Bauarbeiten in Mainz begannen im Frühjahr 1713 am Albansberg (Fort Karl) und am Hauptstein. Es folgte auf dem Linsenberg das Fort Joseph. Den Kern der Forts bildeten stumpfwinklige Bastionen deren rückwärtige Mauer keine Brustwehr aufwies. Das diente dazu, um ein an den Feind gefallenes Fort vom inneren Wall aus unter Feuer nehmen zu können. Alle Werke besaßen weit ins Glacis hinausgreifende Minensysteme; Kasematten dienten als Pulvermagazine, in die auch die unterirdischen Verbindungsgänge aus der Stadt einmündeten. Obwohl die Forts sich ähnlich waren, war jedes einzelne allerdings an die speziellen Geländebedingungen angepasst.

Plan des Fort Karls [StA Mz BPS]

Die drei Forts Karl, Joseph und Hauptstein waren allesamt um 1725 vollendet. Der Ausbau der unterirdischen Minengänge dauerte allerdings noch weiter an. Darüber hinaus erhielt das innere bastionäre Tracée nun zwischen allen Bastionen Ravelins. Um 1734 schloss sich nochmals eine Bauphase an, in der das Fort Philipp in Verlängerung des Gautores errichtet wurde. Außerdem wurde das Fort Elisabeth angelegt, das die Forts Karl und Philipp flankieren sollte. Auf der Zitadelle wurde 1696 bereits der Kommandantenbau errichtet.

Durch die Errichtung der Außenforts war die Festung Mainz wieder militärisch auf der Höhe ihrer Zeit. Sogar noch um 1800 nötigte die Anlage der Forts Napoleon Respekt ab. Doch ihre Aufgabe, einen Angriff des benachbarten Frankreich abzufangen, konnte sie aufgrund der immer noch unzureichenden Garnison nicht erfüllen. Außerdem begann man wieder aufgrund von Sparmaßnahmen die Festungswerke zu vernachlässigen. So wurde Mainz, als 1792 die Revolutionskriege begannen und Frankreich zum Rhein hin expandierte, den Franzosen (wieder einmal) kampflos übergeben. [Weiter zum nächsten Kapitel]

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Literaturhinweis

Kahlenberg, Friedrich: Kurmainzer Verteidigungs- einrichtungen und Baugeschichte der Festung Mainz im 17. und 18. Jahrhundert. Mainz 1963 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 19)
[Weitere Literatur]

Weblinks

Citadelle Petersberg
Die Citadelle Petersberg in Erfurt wurde ebenfalls von Johann Philipp v. Schönborn errichtet.