Die Entfestigung von Mainz nach 1918
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde mit dem Versailler Vertrag von 1919 das Ende der Festung Mainz besiegelt. Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages mussten alle Festungswerke geschleift, also zerstört, werden. Die französische Besatzungsmacht, die nach der Niederlage des Deutschen Reiches das südliche Rheinland besetzte zog auch in die ehemalige Festungsstadt Mainz ein. Mainz war wieder "Mayence". Die Franzosen begannen Anfang der 20er Jahre sofort mit der Sprengung der Bunkerbauten des letzten und äußersten Festungsgürtels. Diese relativ modernen Bunkerbauten waren nämlich die einzigen Festungswerke, die militärisch noch genutzt hätten werden können. In den darauf folgenden Jahren wurden die gesprengten Trümmer dann vom Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) beseitigt. Ein eigenes "Entfestigungsamt" sorgte für die ordnungsgemäße Durchführung und erstellte von den Festungswerken die letzten Fotos und Abrisspläne. Die planmäßige Durchführung der Zerstörung des Bunkerrings um Mainz ist auch der Grund dafür, weshalb man heute nur noch ganz vereinzelt Reste von diesen Bunkern findet. Meistens sind selbst diese nur noch im Boden liegende Trümmer.
Die Bastionen und Forts des 17. und 18. Jahrhunderts wurden zum Teil noch als Übungsplatz für die französischen Soldaten benutzt. Militärisch waren diese Festungswerke nämlich nutzlos, so dass sie nicht sofort dem Abriss zum Opfer fielen, wie der Bunkerring um Mainz. Vor den ehemaligen inneren Festungswerken wurde bereits um 1857 ein Promenadenweg angelegt (damals natürlich noch unter Beachtung militärischer Belange). Dieser wurde gegen Ende der 20er Jahre auf seine bis heute erhaltene Größe verbreitert. Es ist die große Grünanlage, die sich heute zwischen Zitadelle und Augustusstraße erstreckt. Angrenzend an dieser Grünanlage wurden die Eskarpenmauer der Bastion Martin und ein Ravelin als Erinnerung an die Festung erhalten. Über diesen Grabenabschnitt wurde 1929 die Kunst- und Gewerbeschule in Bauhausform errichtet. Die Rundbogenportale und Eckquader erinnern an die Festungswerke. Hinter dem Grünstreifen wurden stadtauswärts in den 20er Jahren aufgrund der Wohnungsnot weitere Wohnanlagen gebaut.
Festungswerke werden zu Grün- und Sportanlagen
Nach dem Abzug der Franzosen und der Machtergreifung Hitlers übernahm ab 1934 der Reichsarbeitsdienst (RAD) die weiteren Entfestigungsarbeiten. Ein neuerer Festungsgürtel um Mainz kam für Hitler und seine Militärstrategen nicht mehr in Frage: der Westwall an der Grenze des Deutschen Reiches diente nach dem Einzug der Wehrmacht im Rheinland als neue Befestigung gegen Frankreich. Mainz war als möglicher Festungsstandort mittlerweile zu weit im Reich gelegen. So konnte die Stadt Mainz damit beginnen die freigewordenen Flächen in Grünflächen umzugestalten. In diesen Jahren entstand zum Beispiel aus dem Gelände um die Forts Hartenberg und Hartmühl der Volkspark Hartenberg mit einer Fläche von etwa 18 ha. Im Süden der Stadt wurde auf dem Gelände des Fort Weisenaus der gleichnamige Volkspark, mit einer Größe von 16 ha, angelegt. Anstelle des Fort Heiligkreuz ließ ein privater Investor Tennisplätze bauen, die eine Fläche von 5,5 ha einnahmen. Die Tennisplätze und die dazugehörige Grünanlage sind noch heute vorhanden. Das Fort Hechtsheim dagegen verschwand unter dem Aushub des Tunneleinschnitts an der Eisgrube, der 1930 vorgenommen worden war. Im Zuge dieses Tunneleinschnitts wurde übrigens auch die Defensionskaserne aus den 1860er Jahren abgerissen. Ebenfalls 1930 errichtete Präses Pfarrer Andreas Niklaus auf dem Gelände des ehemaligen Forts Gonsenheim das "Katholische Jugendwerk" - ausgestattet mit zwei Sportplätzen, einer Rundbahn, zwei Tennisplätzen und Versammlungsräumen.
Der Abzug der französischen Besatzung 1930 und die der Nationalsozialismus ließen das militärische Erbe der Stadt Mainz wieder in den Vordergrund treten. So wurde beispielsweise 1934 in die erhaltene Flanke des Forts Josefs ein Denkmal für die Gefallenen des 3. Brandenburgischen Fußartillerie-Regimentes integriert, während 1933 in Nähe der Christuskirche der 117er-Ehrenhof eingeweiht wurde. Er sollte an die Toten und die Schlachten des Mainzer Traditionsregimentes 117 erinnern. Die SA-Standarte 117 "Rheinhessen" sollte daran anknüpfen. Zahlreiche Artikel in den Mainzer Zeitungen berichteten über die Festungsgeschichte - insbesondere als 1936 erstmals wieder deutsche Soldaten in Mainz einzogen. Die Vergangenheit von Mainz als Garnisons- und Festungsstandort wurde so von den Nationalsozialisten gezielt instrumentalisiert und benutzt.
Obwohl viele Festungswerke zu Beginn des Zweiten Weltkrieges aus dem Stadtbild verschwunden waren, war unterirdisch dafür umso mehr noch vorhanden. Um 1942 wurden die unterirdischen Gänge vom Tiefbauamt der Stadt Mainz kartografisch erfasst. Eine notwendige Maßnahme, um die weitläufigen unterirdischen Kasematten und Gänge als Luftschutzräume (LSR) verwenden zu können. In der Folgezeit baute man einige unterirdische Gänge und Minen als Luftschutzräume aus, so zum Beispiel in die Eskarpengalerie in der Bastion Drusus der Zitadelle und der Kontereskarpegang im Fort Josef. In beiden Gängen kann man noch heute die Luftschutzeinrichtungen entdecken. Aber auch in vielen nicht ausgebauten, unterirdischen Festungsgängen suchte die Mainzer Bevölkerung Schutz vor den Bombenangriffen.
Die Festung Mainz nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die militärische Vergangenheit in die Vergessenheit. Bis 1955 wurde beispielsweise die Zitadelle noch gepflegt, da die Franzosen dort ihre Kommandantur eingerichtet hatten. Danach wurde die Zitadelle immer mehr von Bäumen und Pflanzen überwuchert. Der Graben und Teile der Bastionen Germanicus und Drusus wurden 1985 unter Landschaftsschutz gestellt. Die Zitadelle verschwand so bis Ende der 90er Jahre aus dem Stadtbild.
Auch die anderen Festungswerke wurden nicht als erhaltungswürdige Bauten angesehen. So wurde noch 1966 das bestens erhaltene Mombacher Tor ohne weiteres für die Stadtautobahn abgerissen. Die ehemalige preußische Hauptwache am Liebfrauenplatz wurde nach einem Zusammensturz des hinteren Gebäudeteils so umgebaut, dass ihr ursprünglicher Charakter verloren ging. Die übrig gebliebenen Festungsbauten gerieten in städtischen oder staatlichen Besitz und damit auch in Vergessenheit. Die Kasematten des Fort Josefs wurden vom Zivilschutz als Bettenlager benutzt - ungünstigerweise, da äußerst feucht. Das Proviantmagazin sollte abgerissen werden und die Kavaliere Prinz Holstein und Hartenberg werden bis heute noch als Arbeitsräume vom städtischen Grünamt genutzt.
Erst im neuen Jahrtausend machen sich die Festungsanlagen wieder im Stadtbild bemerkbar: das renovierte Proviantmagazin ist eines der Vorzeigeobjekte der Wohnbau Mainz und die Zitadelle gerät durch die Gründung der Initiative Zitadelle Mainz e.V. zunehmend in den Mittelpunkt.
Weiterfuehrende Hinweise
Literaturhinweis
Clausmeyer-Ewers, Bettina: Die Wallgrünflächen in Mainz. In: Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz: Park- und Gartenanlagen in Mainz. Mainz 2000.
[Weitere Literatur]