Infanterie-Leibregiment Großherzogin Nr. 117

von Wolfgang Balzer

Das Infanterie-Leibregiment Großherzogin Nr. 117 reicht, als Regiment zu acht Kompanien (l. Oberrheinisches Kreisregiment) bis ins Jahr 1697 zurück. Gründungstag war der 10. Juni 1697. Die drei Stammkompanien, Kreiskompanien genannt, bestanden einige Jahrzehnte länger und hatten bereits 1663-64 gegen die Türken und 1677-79 gegen die Franzosen gekämpft. 1683-88 finden wir sie wieder gegen die Türken bei Wien und in Ungarn kämpfend und anschließend bei Mainz und Rheinfels, ferner in den Niederlanden gegen die Franzosen.

Der Beginn des 18. Jahrhunderts führte das Kreisregiment in den Spanischen Erbfolgekrieg von 1702 bis 1714. Die Festung Landau wurde zweimal belagert und zweimal verteidigt. Auch in den folgenden Kriegen, dem Polnischen Krieg 1733-35, dem Holländischen Feldzug 1747-49 zeichnete sich die Truppe aus. Im Siebenjährigen Krieg stand das Regiment im Verband der Reichsarmee in der Schlacht bei Roßbach. Als letzter Truppenteil verließ es das Schlachtfeld und sicherte als Nachhut die von Friedrich dem Großen geschlagene zurückflutende Kaiserliche Armee.

In den Jahren 1790 bis 1806 durchlebte das Regiment als "Regiment Landgraf" eine Periode kriegerischer Auseinandersetzungen, die nur selten durch friedliche Zeiten unterbrochen war. Hiervon zeugt die älteste Erinnerungsstätte des Regiments, das Hessendenkmal in der Nähe von Finthen, das im Jahr 1858 zum Andenken an das Lager der Hessen bei der Beschießung von Mainz im Jahr 1793 errichtet wurde. Zu den hessischen Truppen, denen Goethe damals einen Besuch abstattete, zählte das 1. Bataillon des Regiments Landgraf, aus dem später das Regiment 117 wurde. Bei der dreimonatigen Belagerung der Stadt hatten die hessischen Truppen Arbeits- undWachdienst zu verrichten. Nachdem die Stadt von den deutschen Truppen eingenommen worden war, gehörte das 2. Bataillon und vorübergehend auch das 1. Bataillon des Regiments mehrmals zu den Mainzer Festungstruppen. Das 2. Bataillon war auch dabei, als am 29. Oktober 1795 die Deutschen unter dem österreichischen Feldmarschall Graf Clerfayt die sogenannten Mainzer Linien der französischen Belagerungsarmee stürmten.

Mit dem Frieden von Campo Formio, durch den Mainz an das napoleonische Frankreich angegliedert wurde, rissen die Verbindungen zwischen der Stadt und dem Regiment ab. Im Jahr 1806 wurde ihm von Großherzog Ludwig 1. der Name "Leibregiment" verliehen. Statt der weißen erhielt es nun blaue Aufschläge. Daher stammt auch die Bezeichnung "blaues Regiment". Von 1806 bis 1807 fanden Einsätze in Preußen und Polen statt, 1809 in den großen Schlachten bei Aspern und Wagram, bei denen das Regiment fast die Hälfte seiner Offiziere und Mannschaften verlor, 1812 im Feldzug auf den Eisfeldern Rußlands. Die Namen Smolensk, Borodino, Moskau und Beresina bedeuteten Entbehrungen und Strapazen. Nur acht Offiziere und sechs Mann und die zerfetzte Fahne sahen die Heimat wieder. Im Jahr 1813 folgte der Einsatz in der Völkerschlacht bei Leibzig, 1814/1815 bei der endgültigen Niederwerfung Napoleons 1. in Frankreich, danach 1848 und 1849 bei der Zerschlagung des Badischen Aufstands.

Von seiner Garnison in Gießen wurde das Leibregiment zunächst nach Worms verlegt und stellte von dort aus ein großes Kommando für die Bewachung des Mainzer Gefängnisses. Während des Kriegs von 1866 gaben die Blauen ein dreitägiges Gastspiel in Mainz. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg, am 1. Oktober 1872, rückte das Regiment in seine letzte Garnison, in Mainz, ein, nachdem es bis 1821 in Gießen, von 1821 bis 1860 in Worms, von 1860 bis 1872 in Darmstadt gestanden hatte.

In Mainz bezog es die Schloß- und Alexander-Kaserne, später Teile des Regiments die Flachsmarktkaserne bei der alten österreichischen Hauptwache. In der 42 Jahre währenden Garnisonszeit erhielten die 117er den Spitznamen "Hakkelbuwe". Er weist darauf hin, daß ein großer Teil des Personals aus dem Odenwald stammte, der für seine Tannenzapfen (Hackeln) bekannt war, die damals von fahrenden Händlern in Mainz zum Feuermachen angeboten wurden.

Nachdem der Reichsfiskus Schloß- und Flachsmarktkaserne an die Stadt Mainz verkauft hatte, zog das Regiment in die neuerbaute Alice-Kaserne ein, die nach der Mutter des damals regierenden Großherzogs Ernst Ludwig benannt war. Die Verbundenheit des Regiments mit seiner neuen Garnisonsstadt wurde besonders bei der großen Überschwemmung des Jahres 1882 gefestigt. Damals retteten die 117er durch einen mächtigen Damm, den sie an der Rheinstraße errichteten, weite Teile der Stadt vor der Überflutung.Einen glanzvollen Höhepunkt in der Garnisonsgeschichte der 117er brachte die Feier ihres zweihundertjährigen Bestehens am 11. Juni 1897. Als Ausdruck der Anerkennung ernannte Großherzog Ernst Ludwig die Großherzogin Victoria Melita zum ersten "Inhaber" des Regiments. Ihr Namenszug wurde von da an auf Epauletten und Schulterstücken der Offiziere sowie auf den Schulterklappen der Mannschaft getragen. Am 15. Februar 1902, kurz nach der Scheidung des großherzoglichen Paars, wurde dem Regiment der Namenszug der Großherzogin Alice (Alice von Hessen und bei Rhein, Mutter von Ernst Ludwig) verliehen. Offiziell hieß die Order: "Das 3. Großherzoglich Hessische InfanterieRegiment (Leib-Regiment) Nr. 117 hat für die Folge den Namen InfanterieLeibregiment Großherzogin (3. Großherzoglich Hessisches) Nr. 117 zuführen."

Auch im Ersten Weltkrieg riß die Verbindung der Mainzer zu "ihrem" Regiment nicht ab, zumal die 117er die meisten Bataillone des Reserve- und Landwehrregiments 118 ausbildeten, mit denen viele Mainzer Bürger in den Krieg zogen. Am 2. August 1914 erreichte der erste Transport die Grenze. Es folgten Schlachten auf fast allen Kriegsschauplätzen.

Die zahlreichen Gefechte, an denen das Regiment beteiligt war, sind an dem 1933 eingeweihten Ehrenmal der 117er eingemeißelt, dessen Symbol ein angreifender hessischer Löwe in Bronze ist. Der 30. April 1919 gilt als Auflösungstag des Regiments. Das 1. und IL Bataillon und die 10. und 11. Kompanie des III. Bataillons traten geschlossen zum hessischen Freikorps über. Da das Regiment 117 in der HitlerWehrmacht nicht wiedererstanden ist, übernahm das 1. Bataillon des Regiments 87 seine Tradition.

Balzer, Wolfgang: Das Infanterie-Leibregiment Großherzogin 117. In: festung-mainz.de [21.08.2005], URL: <http://www.festung-mainz.net/bibliothek/aufsaetze/regimentsgeschichte/117er.html> Bitte setzen Sie beim Zitieren dieses Artikels hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse.