Die Bebauung der Mainzer Bleichen
von Stefan Dumont
Die Bleichen
Ein neues Stadtviertel entsteht
Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges sorgte sich Kurfürst Johann Philipp von Schönborn um die Sicherheit der Stadt Mainz. Er ließ daher die Stadt ab 1655 mit einem regelmäßigen, bastionären Festungsgürtel umgeben. Für den Bau der weitläufigen Festungsanlagen mussten allerdings auch viele Grundstücke enteignet werden, so zum Bespiel der Vorort Vilzbach, der fast gänzlich dem Festungsnau zum Opfer fällt. Als Ersatz bot der Kurfürst den von anderen Stellen der Stadt vertriebenen Bürgern Ersatzgrundstücke auf den Bleichenwiesen an.
Damit die Wiesen allerdings bebaut werden konnten, wurde der Zeybach um 1657 vor der Stadt in die Festungsgräben der Gartenfeldfront (Lage auf der heutigen Kaiserstraße) umgeleitet, um das sumpfige Gelände trocken zu legen. Im Jahr 1663 ließ Johann Philipp von Schönborn erst die "Große Bleiche" ausmessen, dann folgten die beiden kleineren, nördlicher gelegenen Straßen.
Die drei neuen Straßen "Große Bleiche", "Mittlere Bleiche" und "Hintere Bleiche" verliefen schnurgerade in Ost-West-Richtung und wurden durch Querstraßen in kleinere Wohnblöcke unterteilt. Somit war das Bleichenviertel die erste nach barocken und neuzeitlichen Gesichtspunkten geschaffene Stadtanlage. Der schachbrettartige Grundriss der breit angelegten Straßen stand so im krassem Gegensatz zu den engen und verwinkelten Gassen der Mainzer Altstadt. Trotzdem wurde der Verlauf vieler Straßenzüge der Altstadt in den Querstraßen des Bleichenviertels aufgenommen.
Die Bebauung vom Bürgerhaus zum Adelspalais
Mit der neuen Wasserversorgung entstehen auch allmählich die ersten Adelspalais und einige Häuser, in denen Beamte des Kurstaates wohnen. Später komplettieren einige kurfürstliche Einrichtungen, wie der Marstall, das Bleichenviertel.
- Von 1728-33 entsteht als erster barocker Adelspalais der spätere Stadioner Hof. Der Bauherr Lothar Franz von Rollingen erhält "auf seinen kostbaren neuen Hausbau zu besonderer Zier und Ansehen der Stadt" sogar Steuerfreiheiten vom Kurfürsten. Vom Grafen Friedrich von Stadion-Thannhausen, der 1737 das Gebäude erwirbt, erhält der Hof seinen Namen. Im 19. Jahrhundert dient der Stadioner Hof dann als Sitz für den Vizegouverneur der Bundesfestung Mainz.
- Nur wenig später als der Stadioner Hof entstehen am nordöstlichen Rande des Bleichenviertels 1742/43 die Eltzer Höfe. Der Bauherr Anselm Kasimir von Eltz ist der Neffe des zu dieser Zeit amtierenden Kurfürsten. Die um die Straßenecke geführten Eltzer Höfe bilden mit dem kurfürstlichen Marstall später eine einheitliche Blockbebauung.
- 1766/67 wird an der Großen Bleiche der kurfürstliche Marstall errichtet und 1770 mit einer Reithalle und einem weiteren Anbau erweitert. Er dient dem Kufürsten als Reitstall für seine Pferde und Remise für seine Kutschen. Von 1815 - bis 1930 steht der Bau teilweise als "Golden-Ross-Kaserne" zur Verfügung. Die Reithalle wird im 18. Jahrhundert zeitweise zum Theater. Der Bauhof und die Artilleriekaserne ergänzen später die kurfürstliche Bebauung im nordöstl. Bleichenviertel.
- Am Neubrunnenplatz entstehen am Anfang des 18. Jahrhunderts drei stattliche Häuser: zum einem der Wolf-Metternische Hof, und zum anderen die beiden Hees'schen Häuser. Letztere kauft 1740 die Universität, als Ersatz für die zu klein gewordene Burse zum Schenckenberg. Von den beiden Häusern sind nur noch zwei Madonnen erhalten, die am Neubrunnenplatz aufgestellt wurden.
Ausblick: 19. und 20. Jh.
Das Bleichenviertel entwickelt sich im 19. Jahrhundert zu einer zentralem und repräsentativem Stadtviertel, in dem sich auch Kultur und Gewerbe niederlassen. Insbesondere der Bau der Straßenbrücke und die Rheinuferaufschüttung 1875 fördert die "Große Bleiche" als Verkehrsachse. Mit der Neustadterweiterung von 1872 werden zudem die Straßenfluchten des Bleichenviertels übernommen.
Bei den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs wird das Bleichenviertel zu 80% zerstört.
Stadtgeschichtliche Bedeutung des Bleichenviertels
Die Bebauung der Bleichen um 1660 unter Johann Philipp von Schönborn war die erste und einzige Stadterweiterung der Neuzeit bis zur Errichtung der Neustadt 1872.
Das Bleichenviertel dokumentiert mit seiner Straßenanlage und teilweise noch erhaltenen Bebauung die Geschichte von Mainz als kurfürstliche Residenzstadt im Zeitalter des Barocks.
Benutzte Literatur
Darapsky, Elisabeth: Mainz. Die kurfürstliche Residenzstadt 1648-1792. Mainz 1995.
Diepenbach, Wilhelm: Geschichte der "Bleich" und des Hauses Große Bleiche 27. und 27 1/10 (= Die Burse). In: Fischer, A. und E. 1880-1930. Mainz 1930. S. 13 - 25.
Dölling, Regine (Bearb.): Mainzer Barockpalais. 2. Auflage. Neuss 1977.
Krienke, Dieter (Bearb.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Bd. 2.3: Stadt Mainz. Vororte. Worms 1997. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland).
Dieser Text entstand im Rahmen eines Referats an der Universität Mainz in der Übung "Mainz als Kurfürstliche Residenz und Festung 1462 - 1793" bei Prof. Dr. Walter G. Rödel.
Weiterfuehrende Hinweise
Die Festung Mainz im 17. und 18. Jahrhundert [Lesen]