Mainz als schwedischer Staat 1631-36

Mainz in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges

Angesichts der drohenden Gefahr von umherziehenden Soldatenhaufen zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) drängte das Mainzer Domkapitel den Kurfürsten Johann Schweickhard von Kronberg die Befestigungsanlagen der Stadt Mainz zu modernisieren. Ab 1619 wurden so unter der Aufsicht des Mainzer Domherrn Adolf von Waldenburg die wichtigsten Punkte der mittelalterlichen Stadtmauer - wie z.B. das Gautor - mit Erdwällen verstärkt. Den Jakobsberg, der zu dieser Zeit nur mit einem Benediktinerkloster besiedelt war, ließ er mit einem vieleckigen Festungswerk befestigen, das er Schweickhardsburg nannte - der Vorgängerbau der Mainzer Zitadelle. Zwar waren dies durchaus sinnvolle Verbesserungen, doch sie konzentrierten sich zum einen zu stark auf den Jakobsberg und zum anderen waren aufgrund der desolaten finanziellen Situation einfach zu wenige Soldaten stationiert, als dass man die Festungswerke hätte ausreichend besetzen können. Einer längeren Belagerung konnte Mainz daher nicht standhalten.

Abgesehen von diesen Befestigungsmaßnahmen machte sich der Krieg in den 1620er Jahren in Mainz noch nicht bemerkbar. Zwar sorgte eine Pestepidemie 1623/24 für einen sprunghaften Anstieg der Todesrate, aber insgesamt gesehen blieben die Bevölkerungszahlen noch auf einem normalen Niveau. Auch die Auswirkungen der sog. Wipper- und Kipperkrise, einer Wirtschaftskrise infolge der Verschlechterung von Kleingeld, waren in Mainz nicht zu spüren.

Die Schweden kommen!

Gustav II. Adolf

1629 starb Kurfürst Georg Friedrich von Greiffenklau, der seit 1626 in Mainz regierte und unter dem die "Schweickhardsburg" vollendet wurde. Das Domkapitel wählte Anselm Kasimir Wamboldt von Umstadt als seinen Nachfolger. Bis zum Jahr 1630 stand es im allgemeinen Kriegsgeschehen schlecht für das Bündnis protestantischer Fürsten, der "Union": der habsburgische Kaiser, die katholische Liga und die Spanier aus den Niederlanden hatten den Protestanten empfindliche Niederlagen beigebracht.

Das Blatt schien sich zumindest in Norddeutschland zu wenden, als der (protestantische) Schwedenkönig Gustav II. Adolf am 4. Juli 1630 mit seinem Heer an der pommerschen Küste landete. Schnell erzielte er erste Erfolge gegen das kaiserliche Heer und die Gesuche des Kaisers um finanzielle Hilfe im Kampf gegen die Schweden blieben bei den deutschen Fürsten weitgehend erfolglos. Auch der Mainzer Kurfürst Anselm Kasimir Wamboldt von Umstadt blieb mit finanziellen Beiträgen zurückhaltend, da er glaubte, dass von dem Krieg in Norddeutschland keine Gefahr für Mainz ausgehen würde.

Gustav Adolf dagegen konnte sich im Januar 1631 die finanzielle Unterstützung Frankreichs sichern. Mit diesem Rückhalt zog Gustav Adolf mit seinen Soldaten immer weiter in das Reich hinein bis er schließlich am 17. September 1631 in der Schlacht von Breitenfeld bei Leipzig die kaiserlich-ligistische Armee schlug. Von dort aus zog er rasch weiter und eroberte innerhalb eines Monats Erfurt, Bamberg und Würzburg. Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass er es auch auf das Kurfürstentum Mainz abgesehen hatte.

Die Schweden in Mainz

Plan der Stadt Mainz um 1633 mit den schwedischen Festungswerken

Während der Mainzer Kurfürst erfolglos beim Kaiser, bei Frankreich und bei Spanien militärische und politische Hilfe suchte, zog Gustav Adolf Richtung Rhein. Im Morgengrauen des 17. Dezember 1631 setzte er bei Oppenheim über den Rhein und eroberte die Stadt. Breits wenige Tage später standen die Schweden vor Mainz. Die Stadtbefestigung war zwar in einen verteidigungs- fähigen Zustand versetzt worden, im Rhein befanden sich Schiffssperren und es lagerten einige Regimenter in Mainz - doch es reichte bei weitem nicht. Das hatten auch schon der Kurfürst, Teile des Adels und der hohen Geistlichkeit erkannt und waren wohlweislich nach Köln geflüchtet. Der Mainzer Kurfürst Anselm Kasimir hinterließ deshalb auch die Weisung, die Stadt Mainz bei aussichtsloser Lage nicht um jeden Preis zu verteidigen. Am 22. Dezember gab der Stadtkommandant Oberst Wittenhorst deshalb auch auf und überließ nach dem Abzug seiner Soldaten die Stadt den Schweden. Tags darauf zogen die Schweden ein und am 24. Dezember 1631 folgte der pmopöse Einzug des schwedischen Königs Gustav Adolf.

Um sich von einer Plünderung loszukaufen mussten die Bürger und der Klerus jeweils 80.000 Reichstaler - das entsprach dem 40fachen von einem Jahreseinkommen eines Domherrn - als "Brandschatzung" aufbringen. Die Juden wurden mit einer Kontribution von 20.000 Reichstalern belegt. Da nur die Juden ihren Anteil voll bezahlten, ließ der Schwedenkönig alle verlassenen Häuser und Besitztümer beschlagnahmen und verteilte sie an seine schwedischen wie auch deutschen Beamten und Offiziere. Gustav Adolf war in besonderem Maße auch an den Bibliotheken in Mainz interessiert. So wurden schon Ende Dezember 1631 alle Bibliotheken im Mainzer Schloss, sowie in leer stehenden Klöstern und Privathäusern konfisziert und mit einem ersten Büchertransport 1632 nach Schweden geschickt.

Zügig wurde nun auch eine schwedische Regierung des Erzstiftes und der Stadt Mainz eingerichtet. Ebenfalls großen Wert legte Gustav Adolf darauf, dass sich die schwedischen Truppen in Mainz gut verhielten. Ein eigenes Kriegsrecht sah harte Bestrafungen von Soldaten vor, die Bürger und Geistlichkeit beraubten oder misshandelten, Befehle verweigerten oder Gottesdienste versäumten.

Festungsbau

Die "Gustavsburg" an der Mainmündung

Da Mainz zunächst einmal als Ausgangsbasis für weitere Eroberungen im Deutschen Reich dienen sollte, wurden von den Schweden die Festungswerke modernisiert. Reichskanzler Oxenstierna überwachte persönlich die Schanzarbeiten und ließ sogar gegenüber von Kostheim an der Mainmündung eine sternförmige Schanze errichten, in der auch 600 Zivilisten Platz finden sollten. Er benannte das 1633 vollendete Bollwerk nach dem - inzwischen gefallenen - Schwedenkönig "Gustavsburg". Die entsprechende Ortschaft in der Nähe heißt heute noch so. Außerdem wurde eine ausreichende Anzahl von Soldaten in Mainz stationiert. Insgesamt sollte die schwedische Festung Mainz einmal 20.000 Soldaten fassen können. Neben der Mainspitze wurden nun auch erstmals strategisch wichtige Erhebungen und Orte um Mainz befestigt: unter anderem die Anhöhe vor Weisenau, der Hartenberg, der Taubertsberg (Hauptstein) und das rechte Rheinufer bei Kastel. Außerdem wurde die alte Stadtmauer am Kästrich und an der Gartenfeldfront verstärkt. Im Zentrum dieser schwedischen Festung stand die bereits bestehende Schweickhardsburg auf dem Jakobsberg. Von den schwedischen Befestigungsanlagen ist heute nichts mehr erhalten.

Die schwedische Kirchenpolitik

Grabstein des schwedischen Offiziers Konrad von Uxkull

Für den Aufbau einer lutherischen Kirchenorganisation in Mainz und Umgebung berief Gustav Adolf im Juni 1632 den Theologen Dr. Johann Donner zum Generalsuperintendenten. In Mainz existierte zu diesem Zeitpunkt weder eine protestantische Gemeinde noch waren viele Reformierte in der Statt anzutreffen. Lutherisch gepredigt wurde in Mainz während der Schwedenzeit in vier ehemals katholischen Kirchen: in der Schlosskirche St. Gangolf, in der Jesuitenkirche, in der Kapitelstube des Liebfrauenstiftes sowie in St. Quintin. In St. Quintin wurden sogar einige Protestanten beerdigt. Der Grabstein eines schwedischen Offiziers namens Konrad von Uxkull zeugt heute noch davon. Die Schweden hatten aber - abgesehen von St. Quintin - nur solche Kirchen benutzt, deren Geistlichkeit geflohen war.

Viele Mainzer Katholiken waren schon vor den protestantischen Schweden geflohen, in der Befürchtung wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden. Diese Befürchtung bewahrheitete sich aber nicht. Gustav Adolf versprach seinen katholischen Untertanen freie Religionsausübung und der katholische Ritus wurde auch nicht behindert. Außerdem verfügte er, dass bei der Einquartierung die Katholiken nicht stärker belastet werden dürften. Auch die Kirchen und der Kirchenbesitz blieben weitgehend unangetastet sofern die Besitzer nicht geflüchtet waren. Selbst die Jesuiten bestätigten, dass sie in ihren Gottesdiensten nicht gestört und das Kolleg unversehrt wäre.

Die nicht bezahlten hohen Brandschatzungsforderungen bewirkten die Einziehung von herrenlosen Kirchengütern. Die Zahlungsforderungen an die Geistlichkeit trafen am härtesten die Jesuiten in Mainz, die von den 80.000 Reichstalern, die die Geistlichkeit aufbringen musste, allein 40.000 Reichstaler zu zahlen hatten. Das allein die Hälfte der Kontribution von den Jesuiten aufgebracht werden sollte, liegt daran, dass sie - in den Augen der Schweden -die heftigsten Gegner der Protestanten waren. Das bestätigte sich durch die Festnahme zweier Jesuiten im Oktober 1632, die mit verschlüsselten Berichten über den Zustand der schwedischen Garnison nach Köln reisen wollten. Daraufhin wurde das gesamte Jesuitenkolleg unter Arrest gestellt und der Briefverkehr (auch der anderen Geistlichen) überwacht.

Im Juni 1633, als die Geistlichen den Huldigungseid auf die neue schwedische König Christine ablegen sollten, weigerten sich viele mit Hinweis auf die verhinderte Korrespondenz und mussten ausreisen. Dies alles, obwohl die freie Religionsausübung gewährleistet wurde und der Eid nur politische und keine religiöse Bedeutung hatte.

Man kann daher festhalten, dass die schwedische Regierung ein Nebeneinander der Religionen anstrebte und die katholische Geistlichkeit weitgehend tolerierte. Auch ließ sie größtenteils die Kirchengüter unangetastet, so dass die Geistlichkeit am meisten von den hohen Kontributionen belastet wurde. Gerüchte von einem geplanten Abriss des Mainzer Domes und von protestantischen Predigten im Dom sind von einigen Mainzer Geistlichen nach Abzug der Schweden erfunden worden und geben nicht die tatsächliche Situation während der Schwedenzeit wieder. Am meisten nämlich litt die Mainzer Geistlichkeit - wie alle anderen Einwohner der Stadt Mainz auch - unter den Epidemiejahren 1632 und 1635, sowie unter der langen Belagerung von Mainz durch kaiserliche Truppen im Jahr 1635.

Das Ende des schwedischen Staates in Mainz

Als die schwedischen Truppen kapitulierten und am 9. Januar 1636 aus Mainz abzogen, hinterließen sie eine größtenteils ruinierte, entvölkerte und verarmte Stadt. Die Epidemien und die Nahrungsmittelknappheit hatten die Bevölkerung um die Hälfte dezimiert. Ein Viertel der Häuser von Mainz lag in Schutt und Asche, da die Einwohner und Soldaten die Häuser demoliert hatten um den Mangel an Brennholz auszugleichen. Der Vorort Vilzbach existierte quasi nicht mehr - er wurde 1635 kurz vor der Belagerung durch die kaiserlich-ligistischen Truppen von den Schweden dem Erdboden gleich gemacht. Die Kirchen von Mainz - samt dem Dom - waren jedoch in bemerkenswert gutem Zustand. Der Abzug der Schweden 1636 war auch das Ende der lutherischen Gemeinde in Mainz: Kurfürst Anselm Kasimir verbot den calvinistischen und lutherischen Ritus wieder. Wer nicht zum katholischen Glauben übertrat, musste das Land verlassen. Aber selbst diejenigen, die übertraten, wurden nicht als vollgültige und zuverlässige Bürger und Untertanen angesehen.

Benutzte Literatur

Dobras, Wolfgang: Die Kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1462-1648). In: Dumont, Franz; Scherf, Ferdinand; Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz 1998. S. 227-263.
Frohnhäuser, Ludwig: Gustav Adolf und die Schweden in Mainz und am Rhein. Darmstadt 1894.
Müller, Hermann-Dieter: Der Schwedische Staat in Mainz 1631-1636.

Dieser Auszug stammt aus einem Text, der im Sommersemester 2004 im Rahmen eines Referats am Historischen Seminar der Universität Mainz in der Übung "Der Mainzer Dom als historische Quelle" bei Prof. Dr. Ernst-Dieter Hehl und Prof Dr. Walter G. Rödel entstand.

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Die Festung Mainz im 17. und 18. Jahrhundert [Lesen]

Literaturtipp

Müller, Hermann-Dieter: Der schwedische Staat in Mainz 1631-1636. Einnahme, Verwaltung, Absichten, Restitution. Mainz 1979 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 24).