Von der Schweickhardsburg zur Zitadelle (1620-1696)
Kriegsgefahr und die ersten Planungen
Die einige Jahrhunderte alte mittelalterliche Stadtbefestigung von Mainz schien 1617 angesichts des Fortschritts der Waffentechnik und der Vorboten des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) nicht mehr genügend Schutz zu bieten.
Der Domkapitular Adolph von Waldenburg, genannt Schenkher, erhielt vom Kurfürsten den Auftrag, den besten Ort für eine Befestigung zu ermitteln - eine vollständige Befestigung von Mainz kam nämlich nicht in Frage. Der Domkapitular erkannte sofort die strategische Bedeutung des nahe der Stadt gelegenen Jakobsbergs. Dieser geriet durch die Ummauerung der Vorstadt Selenhofen (heute Ignazviertel) in eine äußerst ungünstige strategische Lage zur Stadtmauer. Der Jakobsberg lag nun in einem einspringenden Eck der Stadtbefestigung und bot einen guten Ausgangspunkt für Belagerungen. In dem dort angesiedelten Benediktinerkloster St. Jakob konnten sich feindliche Soldaten gut verschanzen und von dort aus die gesamte Stadt unter Beschuss nehmen. Um dies zu verhindern, sollte nun der Jakobsberg befestigt werden.
Errichtung der Schweickhardsburg
Im Juni 1620 begannen die Arbeiten. Der von Adolph von Waldenburg verfasste Plan sah eine irreguläre bastionäre Anlage mit Erdwällen vor, die nach dem regierenden Kurfürsten "Schweickhardsburg" genannt wurde. Die unregelmäßige fünfeckige Form hatte ihren Grund in den bereits vorhandenen Klostergebäuden und dem unebenen Gelände. An jeder Ecke sprang eine Bastion vor; die fünf Bastionen hießen damals noch St. Johanns Bollwerk, Scheickhards-, Adolphus-, Albans- und Martinsbollwerk. Von diesen alten Bastionen hat sich heute nur noch das Adolphusbollerk im Inner der Zitadelle (hinter der Bastion Alarm) erhalten.
Die neue Befestigungsanlage umschloss das dort ansässige Kloster St. Jakob gänzlich. Zwar wurden die Klosterbauten von der Umwallung nicht beeinträchtigt, aber der Konvent verlor zahlreiche der unmittelbar angrenzenden Weinberge. Die schon während des Baus ansässige Garnison verursachte großen Unmut bei der klösterlichen Gemeinschaft. Vollendet wurde die Schweickhardsburg schließlich 1629 unter dem Kurfürsten Georg Friedrich von Greiffenklau, worüber eine Inschriftentafel im Tordurchgang der Zitadelle noch heute Auskunft gibt. Die lange Bauzeit weist auf die Schwierigkeiten bei der Geldbeschaffung hin.
Neue Festungsanlagen
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges konnte man 1648 auch in Mainz dessen Spuren sehen: Die Bevölkerung und die bewohnbaren Häuser waren sichtlich dezimiert worden. Immer noch marodierten ehemalige Truppenteile durch das Gebiet des Mainzer Kurstaates, und zudem wurden die Grenzgebiete zur Kurpfalz von deren Truppen unsicher gemacht. Aus diesen Gründen überdachte der Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn seine militärischen Bemühungen und beschloss, seine zwei großen Städte Mainz und Würzburg entsprechend zu befestigen. Eine Festung hatte nämlich den Vorteil, dass sie nicht nur die Stadt, sondern auch ihr Umland sicherer machte - ohne dabei größere Truppen einsetzen zu müssen. Zudem konnte man mit einer Festung "in der Hand" auch in der Reichspolitik besser mitmischen.
Ausbau zur Zitadelle
Die Stadt Mainz war zwar schon um 1620 durch Erdwerke befestigt worden, und die schwedische Besatzung von 1631-36 hatte diese Befestigungen noch ausgebaut, doch knapp 20 Jahre später waren diese Schanzen und Gräben wegen mangelnder Instandhaltung weitgehend unbrauchbar. So veranlasste der Kurfürst Johann Philipp von Schönborn 1653 die Planung eines neuen bastionären Befestigungssystems mit Mauern, Erdwällen und Gräben. Ab dem Frühjahr 1655 setzte die Bautätigkeit ein. Auch Schönborn stellte den Jakobsberg ins Zentrum des Festungsausbaus. Auf diesem wurde nun eine regelmäßige, viereckige Festungsanlage errichtet: eine "Zitadelle". An den vier Ecken der kleinen Festungsanlage befinden sich die keilförmig hervorspringenden Bastionen Germanicus (urspr. Scharfeneck), Drusus (urspr. Eichelstein), Tacitus (urspr. Pantaleon) und Alarm (urspr. St. Jakob). Die lateinischen Namen bekamen die Bastionen erst in der Franzosenzeit. Nur durch zwei geknickte Zugänge konnte man durch die Mauern unter den aufgeschütteten Wällen in das Innere der Zitadelle gelangen: im Südwesten führte einer in den Zitadellengraben hinaus; der Zugang im Nordosten zeigte Richtung Stadt.
Das der Stadt zugewandte Haupttor ist prächtig mit den Insignien des Kurstaates bestückt: Zwei Löwen halten das Wappen des Kurfürsten. Die Jahreszahl darunter gibt Auskunft über die Entstehungszeit des Tors: 1660. Der wehrhafte Charakter dieses Tores lässt ebenso wie die steinerne Schlusssteinfratze auf den verantwortlichen Architekten, Antonio Petrini, schließen. Er war für den Kurfürsten bereits für die Würzburger Festung Marienberg und für die Torfassade der Citadelle Petersberg in Erfurt verantwortlich.
In die Festungsanlage der Zitadelle wurden die bereits bestehenden Gebäude des Benediktinerklosters St. Jakob integriert. Der Ausbau der Befestigung und die Anwesenheit der Militärs beeinträchtigten das Klosterleben zunehmend. So wohnte etwa bis zur Errichtung des Kommandantenbaus (1696 unter Kurfürst Lothar Franz von Schönborn) der Kommandant der Zitadelle in der Pforte des Klosters, was zu regelmäßigen Beschwerden des Konvents beim Landesherren, dem Mainzer Erzbischof, führte.
Die Zitadelle fungierte nun für die gesamte Festung als strategischer Kernpunkt und Festungskommandantur: eine Festung in der Festung.
Weiterfuehrende Hinweise
Die Festung Mainz im 17. und 18. Jahrhundert [Lesen]
Literaturhinweis
Initiative Zitadelle Mainz e.V.: Zitadelle Mainz - wo? 2000 Jahre Mainzer Geschichte auf engstem Raum. Mainz 2004.