Altes Festungsbuch im Rarabestand der Mainzer Stadtbibliothek
Die Stadtbibliothek Mainz besitzt ein Exemplar des erstmals 1648 in Paris erschienen „Traité des fortifications ou architecture militaire“. Darauf machte die Bearbeiterin der Rarasammlung vor kurzem aufmerksam. Das 1668 in Mainz gedruckte Buch informiert umfassend über die theoretischen Grundlagen des Festungsbaus und dessen praktische Umsetzung. Neben einem Textteil findet der Leser auch einen großen Anhang mit zahlreichen Kupferstichen. So erhält man noch heute einen interessanten Einblick in den Festungsbau der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Das sehr kleinformatige Buch trägt den vollständigen Titel "Traité des fortifications ou architecture militaire, tiré des places les plus estimées de ce temps, pour les fortifications". Es wurde von dem französischen Jesuiten Georges Fournier (1595-1652) verfasst, der sich vor allem mit Geographie und Mathematik beschäftigte. Diese Kenntnisse waren auch nötig, um Festungen konstruieren zu können. Gerade im 17. Jahrhundert beschäftigten sich deswegen nicht nur Militärs, sondern auch viele Gelehrte mit dem Festungsbau. Georges Fournier hat sein Werk – neben Vorwort und Anhang – zweigeteilt. Im ersten Teil ("premier livre", S. 22-132) beschäftigt er sich mit den theoretischen Grundlagen des Festungsbaus. Er stellt die Ziele des Festungsbaus vor und erklärt die festungstechnischen Fachbegriffe, die er zusätzlich mit Verweisen auf den Bildteil im Anhang versieht. Dann widmet er sich ausführlich den geometrischen Prinzipien, die eine gute Befestigung ausmachen. Aber er gibt auch schon Hinweise zur erfolgreichen Bauvorbereitung einer Festung - etwa, wie man einen Plan zeichnet. Der zweite Teil ("second livre", S. 133-204) beschäftigt sich mit der praktischen Umsetzung und mit den einzelnen Teilen einer Festung. So gibt er u.a. Ratschläge zur Errichtung der Fundamente und des Walls, der Bastionsmauern und des Grabens.
Der Anhang, der gut die Hälfte des Buches bildet, enthält über 100 Kupferstiche. Neben „regulären“ Festungen mit streng symmetrischem Grundriss, werden vor allem irreguläre Festungsanlagen in schwierigen Geländesituationen - wie am Meer oder in den Bergen – gezeigt: Mont-Saint-Michel in der Normandie, Sestos und Abydos an den Dardanellen, die Zitadelle von Jülich und Clermont-en-Argonne – um nur einige zu nennen. Aber der Mathematiker Fournier zeigt natürlich auch die schönen, symmetrischen Idealvorstellungen einer Festung des 17. Jahrhunderts, die allerdings sehr selten wirklich umgesetzt wurden. Darunter ist auch ein damals neuer Vorschlag des französischen Festungsbaumeister Blaise François Pagan (1604-1665) zu finden, der dem Verfasser ein eigener Hinweis vorne im Textteil wert war. Neben weiteren Schnitten des Walls und Detailzeichnungen von Zugängen und Toranlagen, sind letztlich noch Tabellen mit den Maßen enthalten, die in Frankreich bzw. Holland im Festungsbau verwendet wurden.
Der "Traité des fortifications ou architecture militaire" wurde erstmals 1648 in Paris veröffentlicht und erfreute sich vor allem wegen der vielen Kupferstiche großer Beliebtheit. Rund 24 verschiedene Auflagen in verschiedenen Sprachen sind heute noch bekannt. Das von der Bearbeiterin der Rarasammlung, Annelen Ottermann, "wiederentdeckte" Buch wurde 1668 in Mainz von Louis Bourgeat gedruckt. Die Gründe für den Druck sind ebenso unklar wie die Frage, ob es sich um einen Raubdruck handelt. Der Verfasser, Georges Fournier, wird jedenfalls nicht auf dem Titelblatt genannt. Allerdings verlegte Louis Bourgeat paar Jahre später auch deutsche Übersetzungen des Werkes, sowie 1691 den "teutsch-redenden Vauban".
Insgesamt bietet das Buch einen hervorragenden Einblick in den Festungsbau zur Mitte des 17. Jahrhunderts - also in der Zeit vor dem allseits bekannten französischen Festungsbaumeister Vauban.
[Georges Fournier:] Traité des Fortifications ou architecture militaire, tiré des places les plus estimée de ce temps, pour leur fortifications. Mayence 1668 chez Louis Bourgeat. Bibliotheken der Stadt Mainz, Wissenschaftliche Stadtbibliothek, Rarasammlung III i 30 ba.
Das Buch wird auch in der demnächst erscheinenden Veröffentlichung "Rara wachsen nach" der Stadtbibliothek Mainz zu finden sein.
Nachricht vom 26.09.2008